Charakterstärken sind ein zentrales Konzept der Positiven Psychologie und die Schlüsselmerkmale, die unsere Persönlichkeit ausmachen und uns zu einzigartigen Individuen formen. Aber was genau verbirgt sich hinter diesem spannenden Ansatz?
Die 24 universellen Charakterstärken
Die Positive Psychologie beschäftigt sich mit dem Studium menschlicher Stärken und dem Streben nach einem erfüllten Leben. Das bedeutet, sich nicht auf Problemen und Schwächen zu konzentrieren, sondern vielmehr die positiven Eigenschaften und Ressourcen in den Fokus zu rücken. In diesem Kontext sind Charakterstärken von großer Bedeutung.
Charakterstärken sind also positive Persönlichkeitsmerkmale, die uns auszeichnen und unsere Handlungen, Gedanken und Emotionen beeinflussen. Sie sind tief in uns verankert und können entwickelt und kultiviert werden, um ein erfülltes Leben zu führen. Das Konzept der Charakterstärken basiert auf langjähriger Forschung und ist wissenschaftlich fundiert.
Die US-amerikanischen Psychologen Christopher Peterson und Martin Seligman identifizierten in Kooperation mit Kolleg/en/innen weltweit 24 universelle Charakterstärken, die in verschiedenen Kulturen und Gesellschaften gleichermaßen geschätzt werden und sechs Tugenden zugeordnet werden können. Zu den Stärken gehören zum Beispiel Hoffnung, Weisheit, Freundlichkeit, Fairness, Kreativität, Dankbarkeit und viele weitere (siehe Abbildung). Jeder Mensch besitzt jede dieser Stärken in unterschiedliche Ausprägung, die sein individuelles Potenzial und seine Möglichkeiten im Leben ausmachen.
Signaturstärken
Signaturstärken sind diejenigen Charakterstärken, die uns am besten repräsentieren und uns auf natürliche Weise ausdrücken. Sie sind tief verankert und spiegeln unsere wahren Talente, Werte und Leidenschaften wider. Im Gegensatz zu den allgemeinen Charakterstärken, definieren Signaturstärken unsere Individualität und unterscheiden uns von anderen. Jeder Mensch besitzt drei bis sieben Signaturstärken.
Die Identifizierung und Nutzung unserer Signaturstärken bietet viele Vorteile. Indem wir unsere natürlichen Stärken in unserem Alltag aktiv einsetzen, können wir ein tieferes Gefühl von Erfüllung und Authentizität erleben. Unsere Signaturstärken zu nutzen ermöglicht es, in unserem persönlichen und beruflichen Leben erfolgreich zu sein und ein sinnerfülltes Dasein zu führen.
Die Forschung zeigt, dass die bewusste Nutzung unserer Signaturstärken mit zahlreichen positiven Auswirkungen auf unser Wohlbefinden und unsere Lebensqualität einhergeht. Indem wir unsere Stärken in verschiedenen Bereichen unseres Lebens einsetzen – sei es in Beziehungen, Beruf, Freizeit oder persönlicher Entwicklung – stärken wir die fünf Elemente des Wohlbefindens.
Anwendung im beruflichen Kontext
Im beruflichen Kontext können Charakterstärken als entscheidender Schlüssel für persönlichen und beruflichen Erfolg dienen. Arbeitgeber können diese Stärken nutzen, um Teams optimal zu gestalten, indem sie die individuellen Talente und Fähigkeiten der Mitarbeiter berücksichtigen. Die Identifikation von Signaturstärken, spezifischen Schlüsselstärken eines Einzelnen, ermöglicht eine präzise Anpassung von Rollen und Aufgaben. Dies fördert nicht nur die individuelle Leistung, sondern steigert auch die Zufriedenheit und das Engagement der Mitarbeiter.
Nehmen wir an, ein Mitarbeiter konnte seine Signaturstärken, Kreativität und Soziale Intelligenz, in seiner früheren Position im Kundendienst kaum nutzen, da er hier vorrangig administrative Aufgaben übernahm. Nach einem Wechsel ins Marketing blüht er auf, entwickelt kreative Kampagnen und stärkt das Markenimage. Seine empathische Natur trägt zur Kundenbindung und Umsatzsteigerung bei. Dies verdeutlicht, wie die gezielte Platzierung von Mitarbeiter/n/innen in Rollen, die ihren Signaturstärken entsprechen, nicht nur ihre persönliche Erfüllung fördert, sondern auch positive Effekte für das Unternehmen generiert.
Ein bewusster Umgang mit Signaturstärken trägt dazu bei, ein inspirierendes Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem Mitarbeiter ihre Fähigkeiten voll ausschöpfen können. Unternehmen, die diese Ansätze integrieren, stärken nicht nur ihre Unternehmenskultur, sondern setzen auch auf eine personalisierte Mitarbeiterentwicklung. Der Fokus auf Charakterstärken ermöglicht es Unternehmen, ihre Mitarbeiter nicht nur nach fachlichen Qualifikationen, sondern auch nach persönlichen Eigenschaften zu schätzen und somit eine umfassende und nachhaltige Personalentwicklung zu fördern.
Literaturempfehlungen
- Greve, J. M. & Johnson, F. (2020): Charakterstärken im Lehrberuf – Forschungsstand und Studierendenperspektive im Vergleich. In M. Brohm-Badry, C. Peifer, V. S. Franz (Hrsg.): Förderung der positiv-psychologischen Entwicklung von Individuum, Organisation und Gesellschaft (S. 20-34). Lengerich: Pabst Science Publishers.
- Harzer, C. (2017): Charakterstärkenbezogener Person-Job-Fit: Definition, Messung und Befunde zur Rolle für das individuelle Erleben und Verhalten im beruflichen Alltag. In M. Brohm-Badry, C. Peifer, J. M. Greve (Hrsg.): Positiv-Psychologische Forschung im deutschsprachigen Raum – State of the Art (S. 147-157). Lengerich: Pabst Science Publishers.
- Niemiec, R. M. (2019). Charakterstärken: Trainings und Interventionen für die Praxis. Bern: Hogrefe AG.
- Peterson, C. & Seligman, M. E. (2004). Character Strength and Virtues: A Handbook and Classification. New York: Oxford University Press.
- Rashid, T. & Seligman, M. E. (2021). Positive Psychotherapie – Ein Therapiemanual. Göttingen: Hogrefe Verlag.
- Ruch, W. & Stahlmann, A. (2020): 15 Years after Peterson and Seligman (2004): A brief narrative review of the research on the 12 criteria for character strength – the forgotten treasure of the VIA classification. In M. Brohm-Badry, C. Peifer, J. M. Greve, B. Berend (Hrsg.): Zusammen wachsen (S. 142-172). Lengerich: Pabst Science Publishers.
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